Radverkehr Berlin Invalidenstraße

Radverkehr Berlin Invalidenstraße © Philipp Böhme/Qimby

ADFC fordert Reform des Straßenverkehrsgesetzes

Die Zeit drängt: Deutschland braucht ein modernes, zukunftsfähiges Straßenverkehrsrecht. Der ADFC will mit der Reform die Gleichberechtigung der Verkehrsmittel sowie lebenswerte Städte und Gemeinden in den Fokus rücken. Ein Überblick.

Gesetzgebung ist veraltet

Der ADFC drängt seit vielen Jahren darauf, dass das aus der Kaiserzeit stammende Straßenverkehrsgesetz (StVG) modernisiert wird. Das 1909 als „Kraftfahrzeuggesetz“ erlassene StVG priorisiert den Kfz-Verkehr und ist darauf ausgerichtet, dass dieser „sicher und leicht“ vorankommt und sich alle anderen Verkehrsformen ihm unterordnen.

Seit der Entstehung des Gesetzes haben sich unsere Gesellschaft sowie bevorzugte Lebensstile jedoch grundlegend verändert. Das damalige Verständnis und der Fokus auf die autozentrierte Stadt ist längst überholt. Belange des Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutzes sowie der städtebaulichen Entwicklung haben heute einen ganz anderen Stellenwert als damals.

Mensch statt Auto in den Fokus rücken

Heute müssen der Mensch und das Gemeinwohl im Zentrum stehen – und ein modernes Straßenverkehrsrecht muss nachhaltigen Mobilitätsformen, wie dem Rad- und Fußverkehr sowie dem öffentlichen Verkehr, den Vorrang einräumen. Die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Kfz-Verkehrs darf nicht länger die übergeordnete Zielsetzung sein.

Deshalb fordert der ADFC eine Reform des StVG, welche die Ziele der Vision Zero, des Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutzes und der städtebaulichen Entwicklung als gleichberechtigte Ziele in die §§ 1 und 6 des StVG integriert.

Kommunen brauchen mehr Handlungsspielraum

Darüber hinaus müssen die Handlungsspielräume für Kommunen deutlich flexibler werden, damit sie nachhaltige Mobilitätskonzepte konsequent und schnell umsetzen, Flächen zu Gunsten aktiver Mobilität und zum Verweilen gerechter aufteilen sowie innovative Maßnahmen ausprobieren können.

Gesetzentwürfe des ADFC liegen vor

Bereits 2019 veröffentlichte der ADFC seinen ersten Gesetzentwurf „Gute Straßen für alle“ mit einer detaillierten Darstellung der benötigten Änderungen in StVG, StVO und VwV-StVO (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung).

Die Zweitauflage des Gesetzentwurfes vom Oktober 2021 wurde an die Änderungen der StVO im Jahr 2020 und an den 2021 neu gefassten § 6 StVG angepasst. Das Bundesverkehrsministerium hat diese Grundlage für Verordnungen, wie die StVO, etwas übersichtlicher gestaltet, ließ aber die inhaltlichen Reformvorschläge unberücksichtigt.

Reformprozess für das Straßenverkehrsgesetz

Der Bund hat eine zentrale Rolle bei der Aktivierung und zügigen Umsetzung der vielfältigen Potenziale des Radverkehrs. Die Modernisierung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) ist dabei der zentrale Hebel, um diese Ziele vor Ort zu erreichen.

Wir werden Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrs-Ordnung so anpassen, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen […]“

(Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Überfällige Reform wurde auf den Weg gebracht

Das hatte sich die Bundesregierung für diese Legislaturperiode vorgenommen. Nach zwei Jahren ist sie endlich ihrer Selbstverpflichtung nachgekommen und hat die mehr als überfällige Reform des Straßenverkehrsgesetzes auf den Weg gebracht. So wurde am 20. Oktober 2023 eine Änderung des StVG vom Bundestag beschlossen.

Wenn das Gesetz nun noch den Bundesrat passiert – voraussichtlich am 24. November 2023 –, dann hat das StVG neue Ziele, die dazu beitragen, eine klima- und umweltfreundliche Mobilität zu fördern, die Lebensqualität in Städten und Gemeinden zu verbessern und einen besseren Schutz der Gesundheit der Menschen zu ermöglichen.

Großer Lobbyerfolg für den ADFC

Für diese Reform hat der ADFC lange gekämpft und betrachtet es als großen Erfolg seiner Lobbyarbeit und einen großen Schritt für die Verkehrswende, wenngleich inhaltlich viel Luft nach oben gewesen wäre.

Immerhin haben die Kommunen nun neue Gestaltungsspielräume, um vor Ort nachhaltige Mobilitätskonzepte etwas besser umsetzen zu können. Eine klar formulierte Gleichberechtigung zwischen den Verkehrsarten ist leider nur im Ansatz erkennbar und die Vision Zero (keine Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr) wurde nicht mit aufgenommen.

Straßenverkehrs-Ordnung wird ebenfalls reformiert

Die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) wird aktuell ebenfalls überarbeitet. Der ADFC wird darauf drängen, dass den Straßenverkehrsbehörden generell mehr Entscheidungsspielraum gewährt wird, statt wieder nur den kleinteiligen Ausnahmenkatalog für verkehrssichernde und -beschränkende Maßnahmen zu erweitern, z. B. für Tempo 30 im unmittelbaren Bereich von einzeln aufgeführten, sensiblen Einrichtungen.

Insbesondere eine Reform des § 45 bietet aus Sicht des ADFC eine große Chance, zukünftig Ländern und Kommunen bei der Förderung einer sicheren, gesundheitsfördernden, klima- und umweltfreundlichen Mobilität größtmögliche Unterstützung zu bieten sowie ungeschützte Verkehrsteilnehmende gegenüber der Leichtigkeit des Kfz-Verkehrs zu priorisieren.

Dafür notwendig sind:

  • eine vollständige Abschaffung des Begründungszwangs für die Einrichtung von Radverkehrsanlagen sowie
  • Vorrang für die Errichtung von Radverkehrsanlagen gegenüber dem ruhenden Kfz-Verkehr.

Nun kommt es darauf an, wie die Änderungen im StVG auf die StVO übertragen werden.

Vor Ort ruht zudem viel Verantwortung auf der Verkehrsplanung und den Straßenverkehrsbehörden in den Kommunen: Sie müssen die Gesetzesänderung mit Leben füllen. Nur dann zeigt sich, ob das neue Straßenverkehrsrecht in der Praxis auch besteht oder ob es in wenigen Jahren nachgebessert werden muss.

In den Artikeln zum Dossier finden sich mehr Informationen zum ADFC-Gesetzentwurf und zur Reform des StVG und der StVO.

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Häufige Fragen von Alltagsfahrern

  • Was macht der ADFC?

    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 190.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

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  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die AFDC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

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  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

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