Eisenbahnbrücken für den Radverkehr
Wie wichtig der Erhalt von Eisenbahnbrücken nach Stilllegung einer Bahnstrecke sein kann, zeigt sich vor allem dann, wenn eine solche Trasse zum Radweg umgestaltet wird. Leider wird nicht immer vorausschauend gehandelt, wie jüngste Beispiele zeigen.
So hat man vor einiger Zeit im Nordviertel die lang gezogene Brücke der ehemaligen Krupp-Bahn über die Bottroper Straße abgerissen.
Die Trasse dieser ehemaligen Werksbahn soll in einigen Jahren als Bestandteil des von Essen aus über Bottrop nach Gladbeck führenden Radschnellweges Mittleres Ruhrgebiet (RSMR) zum Radweg umgebaut werden. Ein wichtiger Bestandteil von Radschnellwegen ist die kreuzungsfreie Querung insbesondere von Hauptverkehrsstraßen. Dieser Umstand müsste eigentlich Grund genug sein, die im Verlauf einer solchen Trasse noch bestehende Brücken zu sichern. Nicht so in Essen.
Besonders pikant ist der Grund für den Abriss: Die Bottroper Straße wird derzeit in diesem Bereich sechsspurig (!) ausgebaut. Und das, obwohl die Stadt Essen sich 2017 im Grünen Hauptstadtjahr grundsätzlich dazu verpflichtet hat, alternative Verkehrsmittel verstärkt zu fördern und den Autoverkehr zu reduzieren. In der Praxis passiert genau das Gegenteil, auch wenn man besagte Straßenverbreiterung damit begründet, dass das momentan geplante Neubaugebiet Q51 adäquat angeschlossen werden müsse – für den Autoverkehr wohlgemerkt. Auch die geplante Neuansiedlung von Ikea diente der Stadt lange als Begründung für die Straßenverbreiterung. Dabei scheint sich der Möbelkonzern nach jüngsten Pressemeldungen aktuell von seinen Planungen zu verabschieden.
Dass man gegen die selbst auferlegten Klimaziele handelt, stört bei der Stadt augenscheinlich niemanden. Der Autoverkehr besitzt ganz offensichtlich nach wie vor uneingeschränkte Priorität. Dabei hat die Essener Thelen-Gruppe als Investor des Neubaugebiets Q51inzwischen mehrfach betont, dass man nicht mehr allein auf eine bevorzugte Erschließung für den Autoverkehr setze. Schließlich wird das frühere Kruppareal im Süden vom zukünftigen RS1 und im Norden vom RSMR umschlossen. Offenbar ist besagter Investor inhaltlich und mental weiter als die nach wie vor autofixierten Entscheidungsträger im Essener Rathaus.
Zwar gibt es Hinweise, dass die abgerissene Brücke (die Kruppbahn ist Mitte der 1990er Jahre stillgelegt worden) ohnehin baufällig gewesen sei. Dennoch hat ihr Abriss einen hohen Symbolwert – im negativen Sinne. Und er lässt Schlimmstes befürchten, denn es existieren im Essener Stadtgebiet bei stillgelegten Bahntrassen weitere Brücken, die bei potentiellen Umwandlungen zu Radwegen als kreuzungsfreie Querungen von Hauptverkehrsstraßen unverzichtbar sind. Dazu zwei Beispiele:
- Die erste Brücke gehörte zur ehemaligen Zechenbahn zwischen dem früheren Güterbahnhof Rheinisch in Altenessen und der ehemaligen Zeche Emil-Emscher im Stadtteil Vogelheim. Sie wurde zu Beginn der 1970er Jahre als Überführung über das damals neu errichtete Autobahnkreuz Essen-Nord gebaut. Nach Stilllegung besagter Zeche diente das riesige Areal jahrzehntelang als Lagerstätte für die sogenannte „Nationale Kohlereserve“, was aber mittlerweile ebenfalls Geschichte ist. Derzeit wird das Gelände komplett neu überplant.
Besagte Bahnstrecke wurde schon Ende der 1970er Jahre stillgelegt, die Brücke über die Autobahn existiert aber nach wie vor. Der östliche Ast der Bahntrasse ist vor einigen Jahren bis zur Altenessener Straße zu einem Radweg umgebaut worden. Da bietet es sich doch geradezu an, besagten Radweg über die Brücke hinaus nach Westen zu verlängern und damit das neue Plangebiet auch für den Radverkehr zu erschließen.
- Die zweite noch bestehende Bahnbrücke befindet sich im Stadtteil Rüttenscheid und überquert die Wittenbergstraße. Über sie führte einst das Anschlussgleis zur Zeche Ludwig in Bergerhausen, welches aber auch schon seit über 30 Jahren stillgelegt ist. Derzeit entsteht unmittelbar neben dem Gleis ein in seiner direkten Nachbarschaft heftig umstrittenes neues Wohnquartier. Die alteingesessenen Anwohner befürchten einen starken Anstieg des Autoverkehrs.
Auch hier wäre besagte Bahntrasse bestens geeignet für eine Radverbindung, mit welcher man eine Zunahme des Autoverkehrs abmildern könnte. Schließlich würde der Radweg nicht nur direkt ins Rüttenscheider Zentrum führen, sondern auch an den Gruga-Radweg andocken – und dies weitgehend kreuzungsfrei. Voraussetzung hierfür wäre natürlich die Bestandsicherung der Brücke über die Wittenbergstraße. Gottseidank steht das Bauwerk aktuell nicht zur Disposition. Allerdings ziehen sich die Bemühungen um den Bau des Radwegs auf besagter Bahntrasse auch schon seit fast 30 Jahren hin. Bleibt zu hoffen, dass die Diskussion um das neue Wohnbaugebiet den Bau des Radwegs endlich voranbringt.
Jörg Brinkmann