Keyvisual ADFC-Fahrradklima-Test 2022

Fahrradklima-Test 2022 © ADFC | April Agentur

Essen beim Radverkehr nach 31 Jahren wieder Schlusslicht

31 Jahre nach Verleihung der „Rostigen Speiche“ bzw. 27 Jahre nach der Beschlussfassung zum Aufbau eines Hauptradroutennetzes hat sich in den Augen vieler Radfahrender an den schlechten Verhältnissen augenscheinlich nur wenig verändert.

Das ist das zentrale Ergebnis des 2022 vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) bundesweit durchgeführten 10. Fahrradklima-Tests. Das bittere Fazit für Essen: Die Stadt ist wieder Schlusslicht in der Kategorie der deutschen Großstädte über 500.000 Einwohner. Und das 31 Jahren nach Verleihung der „Rostigen Speiche“. Bekanntlich wurde die Stadt 1991 von ihren Radlerinnen und Radlern mit der Note 5,1 derart schlecht bewertet, dass sie die entsprechende „Auszeichnung“ als damals fahrradunfreundlichste Großstadt Deutschlands erhielt. Bei späteren Umfragen konnte sie sich zunächst deutlich steigern. Die beste Zensur wurde 2014 mit der Note 3,96 erreicht, womit man bundesweit immerhin ins untere Mittelfeld aufrückte. Seither jedoch geht es Schritt für Schritt kontinuierlich wieder bergab. 2022 gaben Essens Radlerinnen und Radler ihrer Stadt die Note 4,28. Unter den 14 größten deutschen Städten ist man damit wieder auf den letzten Platz gerutscht.

Seit nunmehr über 30 Jahren führt der ADFC mit Unterstützung des Bundesverkehrsministe­riums die Fahrradklima-Tests durch. Anhand eines 27 Punkte umfassenden Fragenkatalogs können Radlerinnen und Radler ihre jeweilige Stadt in punkto Fahrradfreundlichkeit bewerten. Bundesweit haben sich im vergangenen Jahr rund 245.000 Menschen beteiligt, ein Plus von 7 %. In Essen waren es exakt 1556 Teilnehmende und damit sogar fast 20% mehr als zwei Jahre zuvor. Das zeigt, welch hohen Stellenwert der Radverkehr bei vielen Essenerinnen und Essenern mittlerweile genießt.

Im Ruhrgebiet befindet sich Essen in punkto Fahrradunfreundlichkeit in „bester“ Gesellschaft. Nahezu alle größeren Revierstädte dümpeln notenmäßig zwischen 4,2 und 4,4 herum, zählen allerdings aufgrund ihrer Einwohnerzahlen zumeist zu anderen Größenkategorien. Dortmund und Oberhausen beispielsweise liegen mit der Note 4,27 nahezu gleichauf mit Essen, wobei erstgenannte Stadt unmittelbar vor Essen den vorletzten Platz erzielt, Oberhausen dagegen in seiner Kategorie irgendwo im Mittelfeld liegt. Negative Ausreißer bei den Zensuren sind Duisburg (Note 4,51) sowie Hagen (Note 4,6), die bezeichnenderweise in ihren jeweiligen Größenklassen „nur“ auf den vorletzten Plätzen liegen. Deutlich besser bewertet wurde da­gegen die Stadt Hamm mit der Note 3,78, was diese wiederum innerhalb ihrer Größenka­tegorie auf einen der vorderen Plätze klettern lässt.

Bei näherer Betrachtung der Einzelergebnisse fällt bei Essen vor allem die Rubrik „Fahrrad­förderung in jüngster Zeit“ auf. Hier gibt es die deutlichste Verschlechterung zu verzeichnen, und zwar von der für Essener Verhältnisse eigentlich recht guten Note 3,2 auf eine 3,9. Die gute Bewertung im Jahr 2020 war augenscheinlich darauf zurückzuführen, dass kurz zuvor der Rat der Stadt Essen die Positionen des Radentscheids uneingeschränkt übernommen hatte und damit besonders große Erwartungen geweckt hatte. Zwei Jahre später dann die große Ernüchterung. So benötigte die Verwaltung zunächst einige Zeit, um sich diesbezüglich neu aufzustellen. Während dessen wurden nur wenige kleinere Maßnahmen präsentiert. Das Hauptärgernis bestand vor allem darin, dass vieles davon trotz aller gegenteiligen Beteuerun­gen von einer nach wie vor den Autoverkehr favorisierenden Politik mit teilweise großem me­dialen Aufwand soweit zerpflückt wurde, dass es für den Radverkehr keinen Nutzen mehr brachte. Die Rüttenscheider Straße spricht diesbezüglich Bände.

Die Ergebnisse in den übrigen Rubriken des Fahrradklima-Tests haben sich nur in Nuancen verändert. Besonders negativ – und das kontinuierlich von Beginn an – fallen die Falschpar­kerkontrollen auf Radwegen, die Ampelschaltungen für Radfahrer, der Winterdienst auf Rad­wegen, Fahren im Mischverkehr mit Pkw, Breite der Radwege sowie die Führung an Baustel­len auf. In all diesen Kategorien wird Essen mit der Note Fünf bewertet. Bezeichnenderweise hat sich daran in all den Jahren so gut wie nichts verändert – ein Armutszeugnis sonderglei­chen für eine sich als fahrradfreundlich bezeichnende Stadt. Einige wenige Lichtblicke gibt es aber dennoch, denn drei Positionen fallen durch ihre Benotung rund um eine Drei auf: die ge­öffneten Einbahnstraßen, die Radwegweisung sowie das in Essen gut funktionierende öffent­liche Fahrradverleihsystem.

Interessant sind auch die direkten Vergleiche mit anderen Großstädten. Essen ist hier nur in zwei Kategorien etwas besser, und zwar in punkto Fahrraddiebstahl sowie bei besagter Rad­wegweisung. Ansonsten ist man in fast allen anderen Kategorien schlechter als der Durch­schnitt, besonders deutlich bei der Erreichbarkeit des Stadtzentrums und ob man sich durch­gängig zügig mit dem Rad bewegen kann. Auch in der Kategorie, ob wirklich alle Bevölke­rungsschichten mit dem Rad fahren, bildet Essen das Schlusslicht.

Dass sich Essen jetzt beim 10. Fahrradklima-Test nach 31 Jahren wieder auf einem letzten Platz befindet, zeigt nach Ansicht des ADFC mehr als deutlich auf, dass trotz diverser Fort­schritte bei der Radverkehrsförderung die Defizite bei weitem überwiegen. 27 Jahre nach der Beschlussfassung zum Aufbau eines Hauptradroutennetzes hat sich in den Augen vieler Radfahrender an den schlechten Verhältnissen in Essen so gut wie nichts verändert. Und wenn wie erwähnt Radverkehrsplanungen auch weiterhin durch die Politik bis fast zur Un­kenntlichkeit kastriert werden, kann von einer wirklich ernsthaften Radverkehrsförderung kaum noch die Rede sein. Man darf gespannt sein, wenn in nächster Zeit tatsächlich die großen Projekte beim Radentscheid angepackt werden und was dann davon übrigbleibt. Im kommenden Jahr erfolgt der nächste bundesweite Fahrradklima-Test.

Mit radfahrfreundlichen Grüßen,

i.A. Jörg Brinkmann

Ehrenvorsitzender des ADFC Essen e.V.

 


 

Detaillierte Infos sind zu finden unter www.fahrradklima-test.de.

Nachfragen richten sie bitte an meine Person unter Tel. 0201-422104 / 0179-1548364, oder an einen der beiden Vorsitzenden des ADFC Essen Mirko Sehnke, Tel. 0151-67626159 bzw. Marc Zietan, Tel. 0173-2888471

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Symptomatisch für Essen - Wenn der Stadt an einem Konfliktpunkt nichts mehr weiter einfällt, werden neuerdings sogar ganz normale Stadtstraßen für den Radverkehr gesperrt (Weidkamp / Borbeck)

Copyright: ADFC Essen / Brinkmann

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Parken auf Radverkehrsanlagen - wird in Essen nach wie vor viel zu wenig geahndet (Ahrendahls Wiese / Stoppenberg)

Copyright: ADFC Essen / Brinkmann

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https://essen.adfc.de/artikel/essen-beim-radverkehr-nach-31-jahren-wieder-schlusslicht

Häufige Fragen von Alltagsfahrern

  • Was macht der ADFC?

    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 190.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

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  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die AFDC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

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  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

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