Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Essen e. V.

Das Symbolbild aus 2019: Ausbauende, geht es jemals weiter? © PB ADFC

So geht es nicht weiter: Radschnellweg in Mülheim an der Ruhr

Trotz großer Versprechen bleibt der Ausbau des Radschnellweges Ruhr (RS 1) in Mülheim an der Ruhr ein Symbol verschleppter Infrastrukturprojekte. Zwischen Denkmalschutz, bahnrechtlichen Hürden und vor allem Planungschaos stockt die Umsetzung.

Chronologie der Ereignisse

Es ist eine unendlich lange Geschichte der Ankündigungen und der Werbung für eine Idee: Bereits im Kulturhauptstadtjahr 2010 hat der Regionalverband Ruhr mit der Eröffnung des Radwegs Rheinische Bahn zwischen Essen Mitte und Stadtgrenze Mülheim die Idee des RS 1 in die Welt gebracht. Vier Jahre später im September 2014 wurde dann die erste Machbarkeitsstudie für einen durchgehenden Radweg im Pott vorgestellt. In allen Ankündigungen zum RS 1 wird von dem tollen Potenzial einer durchgehenden Radverbindung zwischen Hamm und Moers geträumt. Bis auf einzelne Kurzstrecken ist seitdem aber nicht viel passiert und auch in der Stadt Mülheim, die immer noch die meisten Schnellweg-Kilometer verbuchen kann, bewegt sich seit Jahren nichts. Nicht mal “nicht viel”, nein einfach nichts.

 

Was ist fertig?

Der Radschnellweg Ruhr zwischen der Hochschule Ruhr West (HRW) und der Stadtgrenze Essen ist bereits seit mehreren Jahren durchgängig befahrbar. Dieser Abschnitt verläuft auf der Trasse der ehemaligen Rheinischen Bahn und bietet eine kreuzungsfreie und komfortable Verbindung für Radfahrende. Der Bau wurde in mehreren Bauabschnitten durchgeführt, ist aber nicht durchgehend im Radschnellweg-Standard umgesetzt: 

  1. Der größte Schritt und echtes Vorzeigestück ist die Pilotstrecke (nicht 100 % nach heutigen Radschnellweg-Standard gebaut) zwischen der Stadtgrenze Essen und dem Mülheimer Hauptbahnhof: Dieses Teilstück wurde am 27. November 2015 freigegeben. In Essen angeschlossen ist das Stück an den kombinierten Radweg und Fußweg Rheinischen Bahn, der zwar breit aber inzwischen aufgrund der wassergebundenen Wegedecke in schlechtem Zustand ist. Trotzdem ist es eine wichtige Verbindung nicht nur für den Berufsverkehr zwischen beiden Städten.
  2. Der kombinierte Rad- und Fußweg auf der Hochpromenade durch die Mülheimer Innenstadt wurde am 25. Oktober 2017 auf den Viadukten der ehemaligen Bahnstrecke der Rheinischen Bahn durch die Mülheimer Innenstadt eröffnet. Dieser Abschnitt verbindet den östlichen Schnellweg nach Essen mit dem anschließend gebauten westlichen Abschnitt zur Hochschule, ist allerdings kein Radschnellweg sondern eine kreuzungsfreie Durchquerung der Innenstadt bis zur Ruhr.
  3. Am 15. Mai 2019 wurde ein dann ein 1,2 Kilometer langes Teilstück eröffnet, das von der Ruhrbrücke bis zur Hochschule Ruhr West führt. Dieser Abschnitt ist erstmals im aktuellen Radschnellweg-Standard umgesetzt und verläuft über die wunderschöne Eisenbahnbrücke, ist gut beleuchtet und in guter Wegequalität.  Angeschlossen werden damit die Hochschule Ruhr-West und die Stadtteile Broich und Speldorf. 

 

Welche Ankündigungen und Maßnahmen wurden für den Abschnitt nach Duisburg unternommen?

  • Mai 2019: Im Zuge der Eröffnung des Abschnitts bis HRW wird von 2021 als Baustart für den nächsten Abschnitt gesprochen. Der RVR prognostiziert eine Fertigstellung des gesamten RS1 bis 2027 zur IGA, siehe WAZ Artikel
  • Sommer 2020: ließ Straßen.NRW rund 80 Bäume an der Bahntrasse Steinbruchstraße in Speldorf roden, um den weiteren Verlauf des Radschnellwegs vermessen zu können. “Der Ärger der Anwohner war groß, doch Straßen.NRW beharrte auf der Notwendigkeit, denn der projektierte Baubeginn sei angeblich 2021” schreibt die WAZ.
  • November 2021: Der Rat der Stadt beschließt den Bebauungsplan “Liebigstraße/Wissollstraße Y 12a”, der den Verlauf des Radschnellweges zwischen HRW und Bahnübergang Heerstraße entlang der Bahnanlagen (u.a. dem denkmalgeschützten Ablaufberg) festschreibt.
  • Dezember 2021: Im November und Dezember 2021 findet die “frühe” Öffentlichkeitsbeteiligung von Straßen.NRW statt, in der beispielsweise Fragen zum Naturschutz, zur Beleuchtung und zu den Anschlussstellen erörtert und dokumentiert wurden. Zu diesem Zeitpunkt schrieb Straßen.NRW: “Der Landesbetrieb Straßenbau NRW plant, den Bau im Jahr 2022 zu beginnen.”
  • November 2023: In der Bezirksvertretung 3 der Stadt Mülheim wird von Straßen.NRW angekündigt: Der Weiterbau werde „noch 2024 angestrebt“.
  • November 2024: StraßenNRW meldet, das NRW-Umweltministerium habe der geplanten Linienführung des Abschnittes bis zur Heerstraße zugestimmt. Jetzt kann man endlich richtig planen… 

Wo soll es wie weitergehen?

Der Plan ist, von der Hochschule aus weiter an der Bahnlinie entlang bis in den Duisburger Stadtwald (Nachtigallental) den Radschnellweg zu bauen. Diese Strecke führt durch den Stadtteil Speldorf und wird dann, sobald irgendwann (aber das erörtern wir jetzt hier nicht) in Duisburg mal weiter gebaut wird, Wedau und die Duisburger Innenstadt anschließen. Die Länge des Abschnitts bis zur Stadtgrenze beträgt ca. 3,1 km. Das Projekt liegt in der Hand des Landesbetriebes Straßenbau Nordrhein-Westfalen (Straßen.NRW). Die Linienführung ist umfangreich und detailliert im Projekt Atlas von Straßen.NRW veröffentlicht worden. Dabei ist der Weiterbau durch die zwei Bahnübergänge und den Bereich des Stellwerks in Speldorf dreigeteilt und wird wohl kaum in einem Zuge weitergebaut. Vielmehr ist zu erwarten, dass erst mal nur bis zur Heerstraße gebaut wird, irgendwann dann von der Hundsbuschstraße nach Duisburg und nie der Lückenschluss zwischen den Bahnübergängen erfolgt, aber lest selbst:

Abschnitt Hochschule bis Bahnübergang Heerstraße

Ende 2024 hat Straßen.NRW angekündigt, „die Details für diesen Abschnitt weiter auszuarbeiten“ und eine „Entwurfsplanung“ zu erstellen, zu der anscheinend Detailfragen wie Rampensteigungen oder Umweltfragen gehören. Basis ist die im November 2024 genehmigte Linienführung. Eine Aussage zum Baustart sucht man aber vergeblich und natürlich bleiben Anfragen bei Straßen.NRW wie gewohnt unbeantwortet. 

Der Weg bis zur genehmigten Linienführung war war zu Beginn durch Denkmalschutzfragen verzögert: Der „Ablaufberg der ehemaligen Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft“, ein Baudenkmal aus dem 19. Jahrhundert, stand im Zentrum dieser Diskussionen. Anstatt pragmatisch Lösungen zu finden, zog sich die Planung aufgrund eines notwendigen Denkmalschutzkonzepts in die Länge. Betroffen vom Bau des Radschnellweges sind lediglich die (ebenfalls denkmalgeschützten) Umfahrungsgleise des Abrollberges, der neben der Strecke auf einem Privatgrundstück liegt. Hier ist nun klar, dass diese Gleise für den Bau des Radschnellweges zurückgebaut werden müssen wozu es einer denkmalrechtlichen Befreiung bedarf. Weitere Herausforderung auf der Gesamtstrecke bis Duisburg ist das  mechanische Stellwerk von 1910 und seine Verbindungstechnik zu Signalanlagen, Weichen und Schranken. Der Betrieb dieser Anlagen zwischen den Bahnübergängen Heerstraße und Friedhofstraße ist notwendig für den Betrieb der Bahnlinie. 

Zwar ist es wichtig, kulturelles Erbe zu bewahren und die Bahnstrecke zu erhalten, doch die scheinbar endlosen Abstimmungen zwischen Denkmalschutzbehörden, Bahn, Planern und anderen Akteuren zeigen, wie wenig effizient solche Prozesse ablaufen. Oftmals hatte man den Eindruck, dass man erst mal abwartet, was das eine Amt sagt bis man überhaupt wieder das Projekt angeht. Könnte ja auch sein, dass es man es aussitzen kann.

Abschnitt Bahnübergang Heerstraße bis Bahnübergang Friedhofstraße bzw. Hundsbuschstraße

Straßen.NRW hat auch den Auftrag, den Abschnitt zwischen Friedhofstraße und Heerstraße einschließlich der Bahnübergänge und des Stellwerks zu planen und umzusetzen. “Hierfür werden umfangreiche bahntechnische Planungen und bahnrechtliche Genehmigungsverfahren erforderlich, die einen entsprechenden Zeitaufwand nach sich ziehen.” Heißt: Die vorhandenen und genutzten Bahnanlagen sind unwiederbringlich im Weg und eine Umgestaltung zugunsten des Radschnellweges nicht absehbar, zumal dies die Bahn selbst machen müsste. Da hier aktuell keine Lösung in Sicht ist, wird man Planung und Bau dieses kurzen Abschnittes erst angehen, wenn die anderen Abschnitte erstellt sind. Wenn überhaupt. 

Daher wird nach aktueller Idee der Stadt Mülheim sowohl die Umleitung über die beiden Kreisverkehre nördlich der Bahnlinie, die Umleitung über den Hepperleweg und neuerdings auch der Bau eines Provisoriums (kleiner Rad- und Fußweg) auf städtischen Flächen an der Nordseite der Rheinischen Bahn diskutiert. Um einen solchen Weg an die Heerstr. anbinden zu können, müsste allerdings zunächst die Rampe der Personenunterführung zugeschüttet werden. “Die Aufgabe des völlig unzulänglichen Fußgängertunnels setzt aber die Zustimmung der Bahn für eine Führung der Fußverkehrs auf einem Gehweg neben der Fahrbahn des Bahnüberganges voraus”. Also auch kaum mehr in diesem Jahrhundert, weder das Provisorium noch der eigentliche Bau.

Abschnitt Friedhofstraße bis Duisburg

Dieser Abschnitt ist zwar der Längste, sollte aber eigentlich am Wenigsten problematisch sein. Ist doch auf dem gesamten Teilstück neben den Schienen genug Platz für den Radschnellweg. Natürlich ist der Planungsaufwand aufgrund der Länge der Strecke und der notwendigen Zufahrten substanziell, allerdings sind weder umfangreiche bahnrechtliche Aspekte noch der Denkmalschutz Showstopper. Ob die nun genehmigte Linienführung auch bereits für diesen Abschnitt fertig ist, ist nicht transparent, auch hierzu gibt es keine Informationen von Straßen.NRW. 

Problematisch wird sicherlich das östliche Ende des Abschnittes. Wegen des Bahnüberganges Friedhofstraße könnte der Bau vielleicht erst ab Hundsbuschstraße starten, was noch einmal einen zusätzlichen Umweg durch diese kleine Nebenstraße bedeuten würde.

 

Fazit

So richtig glauben, dass es irgendwann wenigstens mal bis zur Heerstraße nach Speldorf weiter geht, können wir nicht. Hinter den Bahnübergängen bis Duisburg bleibt es auch weiter unklar. Bis zur Stadtgrenze gibt es inzwischen aber wunderbare graphische Darstellungen im Projektatlas, aber zu einem Baustart und Perspektiven will niemand etwas sagen. Anfragen bei Straßen.NRW bleiben gerne unbeantwortet. Das ist über fünf Jahre nach Eröffnung des Abschnitts bis zur HRW unbefriedigend. 

Wie es irgendwann in Duisburg weiter gehen mag, ist auch kaum absehbar. Pläne zum Beispiel für die Führung im Nachtigallental sind nicht verfügbar, Ideen für die Anbindung von Wedau und dem Neubaugebiet Duisburger Dünen tauchen immer wieder in der Lokalpresse auf. Kaum wird aber bis zur Internationalen Gartenbauausstellung IGA 2027 mit substanziellen Fertigstellungen zu rechnen sein.

Peter Beckhaus 

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