Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Essen e. V.

Stellungnahme zu Eckpunkten des Fahrradgesetzes

Das Verkehrsministerium NRW hat in dieser Woche abschließend die Eckpunkte für das Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz NRW vorgestellt. Aus Sicht des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs NRW sind diese ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Der ADFC NRW erwartet, dass die Eckpunkte inhaltlich konkretisiert werden, um die Potentiale des Radverkehrs auszuschöpfen und Fahrradmobilität in NRW endlich konsequent zu ermöglichen.

„Bislang entscheidet jede NRW-Kommune nach Kassenlage und eigenem Ermessen selbst, ob und wie sie Radverkehrsinfrastruktur baut, unterhält und wie sie darüber hinaus den Radverkehr fördert“, erläutert der ADFC-Landesvorsitzende Thomas Semmelmann. „Das Ergebnis ist ein gefährliches Flickwerk der Radwege, die sehr häufig nicht den Anforderungen entsprechen – sofern sie überhaupt vorhanden sind. Das Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz ist zugleich Chance und Herausforderung, ganz neue Maßstäbe und verbindliche Regelungen für den Radverkehr zu schaffen und die Kommunen finanziell und organisatorisch dabei zu unterstützen, sichere, komfortable und klar erkennbare Radverkehrsinfrastruktur in ganz NRW zu realisieren.“

Das NRW-Verkehrsministerium hatte in drei Videokonferenzen Eckpunkte für das geplante Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz vorgestellt. Teilgenommen haben Vertreter*innen von rund 32 Verbänden und Institutionen aus den Bereichen Verkehr, Umweltschutz, Planung, Wirtschaft und Bau. Neben Grundsätzen der Nahmobilität, einem Aktionsplan sowie den Themen Rad- und Fußverkehr, wurden auch Eckpunkte zu den Themen Verkehrssicherheit und Mobilitätsmanagement präsentiert.

In Bezug auf den Radverkehr greifen die vorgestellten Eckpunkte viele Forderungen der erfolgreichen Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“ und des ADFC NRW auf, bedürfen mit Blick auf den anstehenden Referentenentwurf aber einer inhaltlichen Konkretisierung. „Das ambitionierte Ziel der Landesregierung, dass NRW Vorreiter in Sachen Radverkehrsförderung bleibt, erfordert eine entsprechend ambitionierte Ausgestaltung des Fahrradgesetzes und einen konsequenten Infrastrukturausbau, damit alle Menschen sicher und komfortabel ans Ziel kommen“, sagt Thomas Semmelmann, Landesvorsitzender des ADFC NRW.

Vielsprechend ist aus Sicht des ADFC NRW die Absicht, eines landesweiten Radvorrangnetzes, die Förderung regionaler Radverkehrsnetze, Verbesserungen bei Erhalt und Sanierung bestehender Radwege sowie die Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit.

Der ADFC NRW vermisst jedoch Aussagen bzw. Regelungen dazu, wie die Zusammenarbeit der Akteure, die an Planung und Umsetzung (bzw. Bau, Erhalt und Betrieb) von Radverkehrsinfrastruktur beteiligt sind, zukünftig verbessert und effizienter gestaltet wird. Notwendig ist, zu konkretisieren, wie die Landesregierung die Kommunen bei der Umsetzung hochwertiger Radwegenetze finanziell und organisatorisch, über die bisher bestehenden Förderungen hinaus, unterstützen wird. Um den Mittelabfluss sowie Planung und Umsetzung zu beschleunigen, müssen Aufgaben und Zuständigkeiten der beteiligten Akteure effizienter und transparenter geregelt werden. Dazu gehört aus Sicht des ADFC NRW u.a. die Einrichtung von Koordinierungs- und Planungsstellen, deren Tätigkeiten insgesamt transparent und nachvollziehbar gestaltet werden, um den Ausbau der Infrastruktur in der Zuständigkeit des Landes und die Unterstützung der Kommunen beim Ausbau kommunaler Radverkehrsinfrastruktur voranzutreiben.

Der skizzierte Aktionsplan beinhaltet überwiegend Werbemaßnahmen und Kampagnen im Zuge von Öffentlichkeitsarbeit. Diese sind als flankierende Maßnahmen durchaus sinnvoll. Jedoch muss die Umsetzung baulicher, infrastruktureller Maßnahmen im Aktionsplan weiter konkretisiert werden. Maßnahmen in den Bereichen Fahrradparken und Abstellanlagen sind bisher nur unzureichend in den Eckpunkten vertreten. Es reicht nicht aus, Fahrradparkplätze in Parkhäusern zu schaffen, wenn diese eine Minderauslastung durch Autos aufweisen. Der ADFC NRW hat Vorschläge u.a. zum Fahrradparken in den „Aspekte zur Förderung der Fahrradmobilität im Hinblick auf ein Fahrradgesetz-NRW“ bereits im Herbst 2019 formuliert.

Das Ziel einer stärkeren Integration des Fahrrads in intermodale Wegeketten – z.B. Fahrrad in Kombination mit Bahn - muss sich neben der Förderung von digitalen Services und Sharing Angeboten auch ganz konkret im Bau von mehr hochwertigen Radabstellanlagen bspw. an ÖPNV-Haltestellen und Bahnhöfen äußern. Dafür müssen besser wirksame Anreize und soweit möglich, verbindliche Regelungen im Rahmen eines Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetzes geschaffen werden. Von besonderer Bedeutung ist dabei auch, welche Passagen in anderen Landesgesetzgebungen geändert werden, um eine Beschleunigung und effizientere Umsetzung von Bau, Erhalt und Sanierung von Radverkehrsinfrastruktur zu erreichen.

Das Bekenntnis zur „Vision Zero“ (Null Verkehrstote) muss, über die Ankündigung von Sicherheitsaudits und eines Verkehrssicherheitsprogramms hinaus, inhaltlich weiter ausgestaltet und verbindlich gemacht werden. Dabei ist besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass die angekündigte Gleichrangigkeit der Verkehrsmittel tatsächlich zu einer Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer*innen in Planung und Umsetzung führt und unter dieser Prämisse die Verkehrssicherheit z.B. bei der Straßenraumgestaltung an erster Stelle steht. „Es freut uns sehr, dass die Gleichrangigkeit der Verkehrsmittel explizit hervorgehoben wird und damit endlich eine ideologiefreie Planung zugunsten des Autos zu Ende geht“, so der Landesvorsitzende Thomas Semmelmann.

Um Radschnellwege landesweit voranzubringen, bedarf es Regelungen, die die gesetzliche Zuständigkeit des Landes für Radschnellwege verfahrensmäßig in die Praxis umsetzen. Bisher sieht die Landesregierung für die Planung von Radschnellwegen ein Verfahren vor, das – anders als bei Landesstraßen – für einen Radschnellweg zunächst eine von den Kommunen zu erstellende Machbarkeitsstudie vorsieht. So werden die Kommunen bisher zu „Bittstellern“ des Landes gemacht und es wird bereits im ersten Schritt die Verantwortung für Radschnellwege auf die Kommunen abgewälzt. Dies entspricht nicht der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung des Straßen- und Wegegesetz NRW. Der ADFC NRW fordert, dass wie bei Landesstraßen die Landesstraßenverwaltung generell den Bedarf für Radschnellwege in NRW ermittelt und – soweit erforderlich – Machbarkeitsstudien dann selbst erstellt oder per Auftragsvergabe erstellen lässt. Natürlich in Zusammenarbeit mit den Kommunen, aber in eigener Verantwortung des Landes.

Um der Herausforderung von „25% Radverkehrsanteil“ in NRW gerecht zu werden und ein landesweites Radvorrangnetz (aus Radschnellwegen, Radvorrangrouten und lokalen Radverbindungen) zu schaffen, muss geprüft werden, welche Strukturen und Institutionen gestärkt bzw. neu geschaffen werden müssen, anstatt lediglich bestehende Strukturen zu nutzen und zu verstetigen. Dies ist auch erforderlich, um die Finanzmittel aus dem Klimapaket des Bundes für den Radverkehr in den nächsten Jahren tatsächlich auf die Straße bringen zu können.

Die detaillierte, inhaltliche Erarbeitung des bis Ende 2020 angekündigten Referentenentwurfs beginnt jetzt. Erst dann wird sich zeigen, wie konsequent die Landesregierung den Auftrag der Volksinitiative annehmen und die ambitionierten, selbstgesteckten Ziele umsetzen wird.

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