Ruhrgebietsmetropole ohne zentrale Radstation
25 Jahre hat man sie alt werden lassen, die Radstation im Essener Hbf. Im Gegensatz zum 20-jährigen Jubiläum vor 5 Jahren ist das allerdings nicht mehr groß gefeiert worden. Und das hat seinen Grund, denn seit dem Jahreswechsel ist die Radstation zu.
1999 wurde sie direkt neben der Haupthalle in der ehemaligen Gepäckgutabfertigung eröffnet, ein idealer Ort für kurze Wege zu den Zügen. Betreiber war von Beginn an die „Neue Arbeit“ der Diakonie Essen, die hier Langzeitarbeitslose qualifizieren und so wieder in den ersten Arbeitsmarkt integrieren wollte. Neben dem Einstellen von Rädern war der Fahrradverleih ein weiteres wichtiges Standbein. Anfangs konnte man dort auch Räder reparieren lassen. Diese Dienstleistung wurde dann aber in die Zentrale der Neuen Arbeit nach Frillendorf verlagert („Fahrradwerkstatt Freilauf“).
Zunächst galt die Radstation als Provisorium, denn perspektivisch sollte nach dem Willen der Deutschen Bahn aus dem Hauptbahnhof ein Konsumtempel werden. Daher war 2008 schon wieder Schluss, und ähnlich wie heute schien niemand wirklich darauf vorbereitet gewesen zu sein. Letztlich gab es dann aber doch zwei Jahre lang ein erneutes Provisorium an der Kruppstraße (hier steht heute die Zentrale der Schenker Group). Ende 2010 kehrte die Radstation schließlich ins Bahnhofsgebäude zurück – nunmehr gut 40 Meter östlich der Haupthalle im ehemaligen Gepäcktunnel gelegen. In dieser hinsichtlich der Nutzbarkeit schwierigen Örtlichkeit konnten 245 Einstellplätze angeboten werden – 65 mehr als vorher, für einen Großstadtbahnhof allerdings immer noch zu wenig.
Dass Ende 2024 nun endgültig Schluss sein wird, zeichnete sich bereits vor drei Jahren ab. 2021 hatte der Bau- und Planungsausschuss die Verwaltung beauftragt, Möglichkeiten für ein Fahrradparkhaus bzw. eine Radstation mit einer Kapazität von 1.000 Stellplätzen in unmittelbarer Nähe zum Essener Hauptbahnhof zu prüfen. Mehrere Flächen und auch Gebäude im Umfeld wurden ins Auge gefasst, letztendlich haben sich alle als nicht geeignet erwiesen oder standen schlichtweg nicht zur Verfügung. Die Deutsche Bahn selbst wollte bis Anfang 2023 mit einer eigenen Machbarkeitsstudie für den Essener Hauptbahnhof und dessen Umfeld das Thema Fahrradparken mit einbeziehen. Ein Ergebnis ist bis heute nicht bekannt. Die Neue Arbeit als Betreiberin der Radstation wiederum hatte Ende 2023 ihren Vertrag gekündigt, auch weil die Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen durch gesetzliche Änderungen bei der finanziellen Förderung nicht mehr weiter fortgesetzt werden konnte. Im Übrigen hätten angesichts massiver Schäden in dem als Brückenkonstruktion erbauten Bahnhofskomplex in nicht absehbarer Zukunft umfangreiche Sanierungsarbeiten angestanden.
Die Stadt steht nach eigenen Angaben schon seit längerem im Gespräch mit dem Betreiber des Parkhauses auf der Südseite des Hauptbahnhofs. Dessen Erdgeschoss wäre in der Tat auch nach Ansicht des ADFC geradezu prädestiniert für eine Radstation. Allerdings seien laut Stadt umfangreiche Umbauarbeiten notwendig, eine Fertigstellung daher nur mittelfristig absehbar. Als Provisorium (das Dritte!) plane man aktuell die kurzfristige Errichtung von fünf vollautomatischen Parkgaragen an der Weiglestraße unterhalb der Helbingbrücken der A40. In den Augen des ADFC wäre dies allerdings mit gut 350 Metern zu weit vom Hauptbahnhof entfernt, zum anderen wäre eine Akzeptanz einer Platzierung unter besagten Brücken angesichts des schwierigen Umfelds vor allem in den Morgen- und Abendstunden fragwürdig. Als Alternative würde der ADFC eine Aufstellung auf dem Parkplatz auf der Südseite des Hauptbahnhofs für sinnvoller halten, schließlich soll es sich ja nur um ein Provisorium handeln. Ein Vorschlag, den die Stadt rundweg ablehnte.
Und nun? Die Radstation im Essener Hauptbahnhof ist zu, die bisherigen Nutzer*innen stehen im wahrsten Sinn des Wortes im Regen. Der ADFC jedenfalls ist gespannt, ob die provisorischen Parkgaragen an diesem Ort tatsächlich Akzeptanz finden und ob sich diese letztlich nicht doch zu einem Dauerprovisorium entwickeln, so wie man es in dieser Stadt schon mehrfach hat erleben müssen. Jedenfalls ist es nach Ansicht des ADFC für eine Großstadt wie Essen ein Unding, ohne zentrale Radstation dazustehen.
Jörg Brinkmann